Das menschliche Herz vollbringt Tag für Tag Höchstleistungen. Es schlägt im Durchschnitt 100.000 Mal am Tag und befördert dabei pro Minute fünf Liter Blut und damit den lebenswichtigen Sauerstoff zu den Organen im Körper. Wenn es gesund ist. Denn noch immer sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen laut dem 34. Deutschen Herzbericht Todesursache Nummer eins. Im Jahr 2021 wurden hier mehr als 340.000 Sterbefälle verzeichnet - das entspricht 33 Prozent aller Todesfälle in Deutschland.
Vor diesem Hintergrund entwickelt sich die Versorgung Herzkranker fortwährend weiter. Im Herz- und Gefäßzentrum (HGZ) Bad Bevensen kommt dabei der engen Verzahnung von Akut- und Rehabilitationsmedizin eine große Bedeutung zu. Denn gerade chirurgische Eingriffe an Herz und Gefäßen stellen nicht nur für den Körper, sondern auch für die Psyche eine Belastung dar. Einer möglichst kurzfristig anschließenden Rehabilitation kommt daher eine große Bedeutung zu, wie Professor. Dr. Gerhard Wimmer-Greinecker, Chefarzt der Klinik für Herz-Thorax-Chirurgie im HGZ, und Dr. Christian Baumbach, Chefarzt der dortigen Klinik für kardiologische und angiologische Rehabilitation, betonen.
Was bedeutet eine Herz-OP für die Psyche des Patienten?
Baumbach: Ein herzchirurgischer Eingriff ist für die Betroffenen durchaus etwas Besonderes. Er führt zu Angst und Verunsicherung, und das beginnt auch schon vor der Operation. Deshalb ist es wichtig, den Patienten so früh wie möglich mit einer Anschlussheilbehandlung dort abzuholen, wo er steht.
Warum genau ist das so wichtig?
Wimmer-Greinecker: Üblicherweise beginnt eine Reha etwa zwei Wochen nach der Operation. Bei uns starten wir mit der Anschlussheilbehandlung der Patienten in der Regel schon eine Woche früher, weil wir die Herzchirurgie und die kardiologische Rehabilitation unter einem Dach haben – das gibt es so nur fünf Mal in Deutschland. Für die Patienten bedeutet das vor allem ein geringeres Risiko, falls es doch einmal zu Komplikationen kommen sollte; die Wege zurück zum Operateur und danach wieder in die Reha sind dann sehr kurz. Und je eher eine Rehabilitation beginnt, desto eher kommen die Patienten auch wieder auf die Beine. Denn langes Liegen bedeutet auch mehr Muskelabbau. Deshalb sind bei uns Kollegen des Reha-Teams bereits auf den Stationen im Einsatz und bereiten die Patienten auf ihre anschließende Rehabilitation vor.
Baumbach: Durch eine frühe Reha wird die Liegezeit der Patienten verkürzt und damit auch das Risiko von Thrombosen oder Embolien reduziert. Außerdem beugt eine kurzfristig auf die Operation folgende Anschlussheilbehandlung Verunsicherungen vor, auch bei den Angehörigen. Im Normalfall werden die Patienten nämlich erst einmal nach Hause entlassen und gehen dann mit einer Verzögerung von ungefähr einer Woche in eine Reha. In der Zeit dazwischen sitzt man allein zu Hause – frisch am Herzen operiert, mit vielen Fragen ohne Antworten und mit Ängsten. Außerdem unternimmt man zu Hause in der Regel nicht gezielt etwas, um wieder fit zu werden. Deshalb ist ein verzögerungsfreier Übergang in die Reha sehr wichtig.
Wie lange sollte eine Rehabilitationsmaßnahme nach einer Herzoperation bestenfalls dauern?
Wimmer-Greinecker: Üblicherweise sind das drei Wochen. Manche wollen aber auch gar nicht in die Reha – weil man zum Beispiel nicht so lange von zu Hause weg sein möchte. Der Zeitfaktor spielt da bei den meisten Patienten eine große Rolle.
Baumbach: Mindestens zwei Wochen sollten es schon sein. Aber die Rehabilitation wird individuell auf jeden Patienten zugeschnitten; und sie dauert so lange, bis man wieder fit ist, um nach Hause zu gehen. Bewegungstherapie und Schulungen in Bezug auf Risikofaktoren – wie die Ernährung – stehen dabei unter anderem auf dem Programm. Es gibt aber auch Stressabbauseminare, Entspannungstrainings, und auch eine psychologische Beratung ist möglich. Wenn man schnell wieder auf den Beinen sein möchte, ist das insgesamt gut angelegte Zeit.
Welche Effekte beobachten Sie bei den Patienten nach OP und kardiologischer Rehabilitation?
Baumbach: Grundsätzlich gilt erst einmal: Rehabilitation ist ein Angebot, wir kommen da nicht schulmeisterlich um die Ecke, und es gibt selbstverständlich keine Maßregelung. Und auch wenn rund ein Drittel nach OP und Reha so weitermachen wie bisher, sind sehr viele Patienten nach einem solchen Eingriff in der Regel schon bereit, ihr Leben zu ändern.
Wimmer-Greinecker: Nach der Rehabilitation gibt es für den Patienten bei uns nicht nur eine Abschlussvisite mit dem OP-Team, sondern auch ein Reha-Abschlussgespräch mit seinem Operateur. Denn nach drei oder vier Wochen in der Klinik sind die Fragen der Menschen andere als unmittelbar nach der Operation. Aber auch für uns Operateure sind diese Zusammentreffen wichtig und aufschlussreich, denn sie können Einfluss auf Behandlungsstrategien haben, und der Chirurg erhält auch ein Feedback darüber, in welchem Zustand der Patient endgültig die Klinik verlässt. Für alle Beteiligten findet in diesem Konzept ein ganz besonderer Informationsfluss statt.